Oh toll, Indien? So ein spannendes
Land, das würde ich auch gerne mal sehen! Was genau machst du denn
da?
Oh Gott, Indien? Warum das denn? Du
weißt aber schon, dass du da total aufpassen musst, da hört man
doch immer wieder von den Vergewaltigungen, und überhaupt...
So ungefähr hören sich die Reaktionen
an, die mir entgegenschlagen, wenn ich von meinem Projekt erzähle.
Besonders häufig allerdings bekomme ich zweiteres zu hören. Das
ärgert mich.
Zum einen, weil es eine Beleidigung
meines Verstandes ist. Gibt man bei Google „Indien“ ein, ist schon
der zweite Vorschlag „Indien Vergewaltigung“. Ich habe mich in
der letzten Zeit relativ intensiv mit Indien auseinandergesetzt,
also: Ja, das habe ich mitgekriegt.
Zum anderen, weil die Wahrnehmung eines
ganzen Landes auf diese Vorfälle reduziert ist. Natürlich ist es
schrecklich und ein ernstzunehmendes Thema. Vor vielleicht noch zwei
Jahren hat dieses Problem aber auch schon existiert, nur die Bilder,
die uns zu Indien durch den Kopf gingen, waren noch andere: Kühe auf
der Straße, Farbfeuerwerke beim Holi-Fest, wehende Haare und Tanz in
Bollywoodfilmen, köstliche Gewürze und wunderschöne Saris. Das
scheinen viele zu vergessen.
Natürlich ist auch diese
Vorstellung sehr einseitig. Deshalb will ich Indien möglichst
unvoreingenommen auf mich zu kommen lassen und mir dann ein eigenes,
vielschichtigeres Bild davon machen.
Meine Mutter hat übrigens – ganz
pragmatisch – einfach eine Liste aufgehängt, auf der sie all die
gut gemeinten Ratschläge und Warnungen sammelt:
Vergewaltigung! Durchfall! Verklebter
Basmatireis! Stolpern über Meditierende! Kühe im Straßenverkehr!
Tiger! Sonnenbrand! Indianer?
Das lese ich durch, wenn ich mich schon
einmal auf die unzähligen Risiken vorbereiten will und ignoriere ich
einfach, wenn mir die schockierten Bemerkungen über Indien zum Hals
raushängen.