Ich schreibe aus Indien zu einem Thema,
das mich seit einigen Wochen sehr beschäftig, gerade, weil es hier
nicht relevant ist. Es geht um das Transatlantische
Freihandelsabkommen, das sich mehr und mehr als bodenlose Frechheit
entpuppt. Ich bin mir sicher, nicht die einzige zu sein, die das
Thema in letzter Zeit umtreibt. Nun bin ich gerade aber in einem
Land, das von den Verhandlungen nicht betroffen ist, ich weiß also
nicht, wie all das in Deutschland und der EU momentan aufgenommen und
diskutiert wird, von Zeitungsberichten einmal abgesehen. Deshalb habe
ich das dringende Bedürfnis, meiner Wut Luft zu machen. Vielleicht
seid ihr ja bereits gelangweilt von der ewigen Diskussion –
wenn dem so ist, wunderbar, es ist nur zu wünschen, dass die Probleme jedem bewusst sind und sich hoffentlich auch Protest regt.
Denn die Verhandlungen verhöhnen
jegliche Demokratie. Sie werden in einem winzigen Kreis geführt, der
Entwurf für das Freihandelsabkommen der EU-Kommission wurde bislang
geheim gehalten (hier jetzt veröffentlicht:
http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/freihandelsabkommen-eu-sonderrechte-konzerne).
Hollande drängte in einem Gespräch mit Obama darauf, die
Verhandlungen möglichst schnell zu beenden, bevor es noch zu Angst,
Kritik und Protest von Seiten der Bevölkerung kommen könnte. Die
Angst ist jedoch gerechtfertigt, Kritik dringend angebracht und
Protest geboten.
Das Abkommen soll eine
Investitionsschutzklausel beinhalten, die es Konzernen ermöglicht,
mit Hilfe von Schiedsgerichten Staaten zu verklagen, wenn diese sie
nicht fair und gerecht behandeln. Das heißt jedoch im Klartext:
Konzerne können Staaten auf Schadenersatzzahlungen verklagen, wenn
sie Gesetze und Regulierungen verabschieden, die die Konzerne und
ihre Gewinne einschränken. Genau diese Regulierungen dienen aber
häufig dem Verbraucher- und Umweltschutz.
Da tagen dann also ein paar
Schiedsrichter, selbst gewählt von den Streitparteien, und knobeln
unter Ausschluss der Öffentlichkeit ein Urteil aus. Die Verlierer
stehen so eigentlich im Voraus fest.
Voraussetzung für einen freien Handel
sind gleiche Standards auf beiden Seiten. Nun haben wir in
Deutschland und in der EU das Glück, relativ hohe Standards zu
genießen, was Verbraucher- und Umweltschutz angeht. Das wird mir besonders hier in Indien jeden Tag aufs Neue klar. Es ist jedoch
offensichtlich, dass Standards leichter gesenkt als erhöht werden.
Konsequenz für uns kann dann Genfood und anderweitig behandeltes
Essen („Chlorhühnchen“) in den Läden sein oder die Zulassung von Fracking und schädlichen Chemikalien.
All das lässt sich nicht ausprobieren
und dann wieder rückgängig machen – weder das Abkommen, zu dessen
Änderung alle Vertragspartner zustimmen müssten, noch die daraus
folgenden Konsequenzen. Wenn wir einmal Genmanipuliertes auf den
Feldern haben, wird der herkömmliche Anbau bald nicht mehr möglich
sein. Die Folgen, die sich aber daraus für unsere Gesundheit und
unsere Umwelt ergeben werden, sind nicht absehbar.
Der tatsächliche wirtschaftliche
Nutzen des TTIP ist ein Witz: 0,5% Wirtschaftswachstum in 10 Jahren?
Selbst diejenigen, die mit dem Verfassen der Studie beauftragt
wurden, geben zu, dass der Nutzen verschwindend gering ist. Dennoch
werden uns die Zahlen als großes Geschenk verkauft. Hohe Zölle gibt
es ohnehin nicht, lediglich diese zu beseitigen würde also kaum
einem Unternehmen irgendeinen Mehrwert bringen. Worauf die Konzerne
spekulieren, ist die Abschaffung nichttarifärer Handelshemmnisse,
also eben jener Regulierungen, die manchmal die nationale Wirtschaft
stärken sollen, oftmals aber auch dem Schutz der Verbraucher dienen.
und ökologischen Belangen sowie vom
Verbraucherschutz, überlagert werden“, fordert die Industrie- und
Handelskammer Bayern. Es ist kein Geheimnis, dass Politik mehr für
die Lobbys als für die „normalen“ Menschen gemacht wird. Dass
das aber auch laut ausgesprochen werden kann, finde ich unfassbar.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen